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Ja, nein, vielleicht- vom Wert der eigenen Grenzen

Autorenbild: Andrea B.Andrea B.

Grenzen sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Doch nebst der Zugehörigkeit von Ländern kennen wir sie auch aus unserer Psyche. Dort definieren sie Bereiche von Handlungen und Verhalten, die erlaubt sind oder eben nicht. Dabei geht es sowohl um das Verhalten anderer als auch um das eigene.



 
Komfort, Wachstum oder Gefahr- ein 3- Sektoren Modell

Dieses Modell beinhaltet drei verschiedene Zonen und zeigt auf, wie wir uns als Menschen darin bewegen, weiterentwickeln und lernen können.


Komfortzone:

Dies ist der Bereich, in dem wir uns auskennen und wissen, was wie funktioniert, wir haben also alles im Griff. In dieser Zone erwarten uns keine Überraschungen, das Gehirn kennt sich mit den Themen und Anforderungen aus. Es muss entsprechend nichts dazulernen. Meist geht es gemütlich zu und her, wir fühlen uns wohl und sicher. Diese Zone ist prima für Entspannung und Erholung, halten wir uns aber nur darin auf, könnte es im Leben ziemlich bald etwas langweilig werden.


Wachstumszone:

In diesem Bereich wagen wir uns ein klein wenig aufs Glatteis. Wir probieren neue Dinge aus, verändern alte Denk- und Handlungsweisen oder lassen uns bewusst und gezielt auf ein kleines Abenteuer ein. Dabei findet alles in einem Rahmen statt, den wir uns noch zutrauen. Es kann mal hektisch, mal unbequem oder seltsam werden, aber es ist machbar. In dieser Zone findet das Lernen statt. Das Gehirn wird mit Inputs gefüttert, die es noch nicht kannte und schafft neue Verbindungen- es lernt.


Gefahrenzone:

Hier kommen wir nun in den Bereich des Zuviel. Die Situationen werden als, manchmal existentielle, Bedrohung wahrgenommen (unabhängig davon, ob sie das auch sind) und entziehen sich unserer Kontrolle. Der Adrenalinspiegel steigt, das logische Denken funktioniert nicht mehr so richtig. Stattdessen kann es zu Reaktionsmustern kommen, die viel älter sind und auch im Tierreich beobachtet werden: Fliehen, Kämpfen oder Schockstarre (fight, flight or freeze). Von aussen sind diese Reaktionsmuster nicht immer klar erkennbar. Beispielsweise kann ein Fliehen auch innerlich stattfinden, ohne dass der Körper bewegt wird und Kampf kann einen verbalen Ausdruck finden. Wir fühlen uns handlungsunfähig, ohnmächtig und ausgeliefert. In diesen Situationen findet kein Lernen mehr statt, die benötigten Hirnbereiche sind schlicht und einfach nicht aktiv.


 
Zonen und Grenzen sind individuell

Ich denke es ist klar, dass jeder Mensch seine eigenen Grenzen hat im Leben. Während eine Flugreise für den einen innerhalb der Komfortzone ist, wäre dieselbe Flugreise für einen anderen Menschen ein Fall für die Gefahrenzone. Um herauszufinden, wo du dich gerade befindest, kann es hilfreich sein, deinen Körper, deine Gefühle und deine Gedanken bewusst wahrzunehmen (siehe auch diesen Artikel zu Achtsamkeit).

 
Zonen und Grenzen können sich verändern

Wir haben nun also diese Zonen und die Grenzen dazwischen. Wir werden unser Leben üblicherweise so gestalten, dass es uns gut geht und uns wenn möglich in der Komfort- und Wachstumszone bewegen. So viel Neues, dass es nicht langweilig wird und das Gehirn etwas zu tun hat doch auch genug Zeit zum Auftanken und Ruhen.


Wenn wir nun gute Erfahrungen in unserer Wachstumszone machen, können diese ein Teil der Komfortzone werden. Sie wird sich also vergrössern. Sind die Erfahrungen nicht gut, wird entsprechend klarer wo Grenzen sind und wir werden wohl dieselbe Erfahrung nicht mehr suchen. So kann es in der Folge auch sein, dass Situationen aus der Gefahrenzone in den Bereich des Wachstums kommen, weil wir uns durch das Meistern einer Herausforderung neue Fähigkeiten, Wissen und Strategien angeeignet haben.

 
Ich und die anderen

Ich werde für mich in meinen Grenzen klar sein, doch es gibt ja noch einige andere Menschen da draussen, die nicht wissen können, wo meine Grenzen sind. So kann es vorkommen, dass absichtlich oder unabsichtlich, meine Grenzen von anderen Menschen überschritten werden.


Machen wir ein Beispiel: Ich bin bei Freunden zu Hause und werde ungefragt von einem fremden Menschen umarmt. Für die einen ist das normal, andere fragen zuerst oder reichen lieber erstmal nur die Hand, wieder andere finden Körperkontakt grundsätzlich unnötig. Wir können es von unserem Gegenüber ganz einfach nicht wissen.


Nehmen wir an, das war für mich eine Grenzüberschreitung. Nun finde ich es wichtig, dies meinem Gegenüber zu kommunizieren. Und zwar ganz simpel: «Hey, ich fühle mich unwohl, wenn ich von fremden Menschen umarmt werde» oder «ich mag das nicht.»

Ich muss meine Gefühle nicht rechtfertigen, meine Grenzen nicht verteidigen, denn ich habe das Recht, sie selber zu definieren. Also kein Drama, einfach nur sagen, wo die eigene Grenze ist und gut.


Die meisten Menschen werden in einem solchen Fall kein Problem damit haben, dies zu respektieren. Von denjenigen, die das nicht tun, nehme ich persönlich ganz viel Abstand.

 
Du hast das Recht, zu entscheiden was du willst

Du, und nur du allein hast das Recht zu entscheiden, zu was du ja sagst und zu was nicht. Ein nein zu einem anderen Menschen kann ein fettes Ja zu dir selber sein. Denn wenn dein System merkt, dass die Grenzen respektiert werden fühlt es sich sicher und ist bereit, hin und wieder ein kleines Risiko einzugehen (Wachstumszone). Es weiss, wenn etwas nicht passt, kannst du nein sagen für die Zukunft und es wird ein Nein bleiben solange du willst. Erlebt es jedoch dauernd Grenzüberschreitung und vielleicht sogar Trauma, wird die sichere Zone im schlechtesten Fall immer kleiner werden. Dann bist du damit beschäftigt, deine letzten, existenziellen Grenzen panisch zu verteidigen und sobald etwas Unerwartetes kommt, hängst du handlungsunfähig irgendwo in der Gefahrenzone herum.



Gibt es Situationen, in denen du angriffig reagierst?



Gibt es Situationen, in denen du immer wieder wegläufst?



Gibt es Situationen, in denen du zwar ja sagst, aber dich danach schlecht fühlst?



Wo setzt du zu wenig Grenzen und wo vielleicht zu viele?




 
Grenzen setzen kann man üben

Wenn du ein Thema hast, bei dem es dir schwer fällt, deine Grenzen zu setzen, lässt sich das auch üben. Damit ist das Trainieren in einer sicheren Zone gemeint. So weisst du und dein Gehirn für den Fall einer entsprechenden Situation schon, wie es geht. Du nimmst quasi eine schwierige Situation aus der Wachstums- oder Gefahrenzone in die Komfortzone und probst dort den Ernstfall.


1. Finde heraus, für welche Situation du üben willst:

Beobachte deinen Körper, deine Gefühle und Gedanken in verschiedenen Alltagssituationen. Was fällt auf, was wiederholt sich? Gibt es Muster? In welchen Situationen fühlst du dich nicht gut (während oder danach)?


2. Definiere dein Grenz-Thema und schreib dir auf, was du mit der Übung erreichen willst.


3. Schaffe eine Trainingssituation. Das kannst du alleine machen oder mit einem Menschen, dem du vertraust. Es kommt darauf an, was du erreichen möchtest.


4. Reflektiere im Alltag, ob du deinem Ziel näher gekommen bist, passe nach Bedarf das Ziel oder die Übungssituation an.


Ein Beispiel: Du hast festgestellt, dass du einem lieben Mitmenschen keinen Wunsch abschlagen kannst. Dann nimm dir einen solchen Menschen als Trainingspartner und sage ihm, dass du das üben möchtest. Dann könnte sein Part sein, dir gegenüber Wünsche auszusprechen und dein Part ist es, nein zu sagen. Dabei ist die einfachste Version, mehrere Anfragen mit ja und später mit nein zu beantworten (egal was die Frage ist). Zu einem späteren Zeitpunkt höre dir die Anfrage an, nimm dir Zeit, in deinem Körper zu spüren, was passiert und entscheide dann für ein ja oder ein nein.

 
Warum mir dieses Thema so wichtig ist

Dieses Thema liegt mir unheimlich am Herzen, denn inzwischen weiss ich, was passieren kann, wenn ich meine Grenzen nicht annehme und respektiere. Wie oft habe ich ja gesagt, wenn ich nein gemeint habe, weil ich jemandem einen Gefallen tun wollte, weil ich dachte, ich muss das jetzt machen. Wie oft habe ich ja gesagt, später gemerkt, es ist doch kein ja und gedacht, ich darf meine Meinung nicht mehr ändern. Bei einzelnen Situationen bleibt es möglicherweise beim schlechten Gefühl danach, das dauernde Übergehen des eigenen Neins kann aber auch ernsthaft krank machen.


Ich sage nicht, dass es immer einfach ist, zu sich selbst zu stehen.

Ich sage nur, dass es sich lohnt!



Sei achtsam mit dir und respektiere deine Grenzen.



Sei achtsam mit deinen Mitmenschen und respektiere auch ihre Grenzen.



Trau dich, nein zu sagen, es ist ein ja zu dir.



Andrea





 

Quellen und weiterführende Links:



 
 
 

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