Auf die Matten, fertig, los!
Kuscheln ist Kontakt, Kuscheln ist Nähe und sie tut uns Menschen gut. Bei dieser Art der Berührung geht es zur Abwechslung einmal nicht um Sexualität. Es geht um körperlichen, entspannten Kontakt mit einem anderen Menschen. Denn Kuscheln soll dazu dienen, dass wir uns wohl fühlen und entspannen können.
Körperkontakt ist lebensnotwendig
Die Tatsache, dass Babies sterben, wenn sie keine Zuwendung erhalten, ist das Ergebnis eines der wohl schockierendsten Experimente der Geschichte. Daher sind Forschende schon länger damit beschäftigt, herauszufinden, warum Körperkontakt offenbar so wichtig für uns Menschen ist. Es hat sich gezeigt, dass die physische Nähe gerade in der frühen Kindheit für eine gesunde Entwicklung des Körpers und die Reifung des Gehirns essenziell wichtig ist. Doch auch Erwachsene profitieren davon: Entspannung, besserer Schlaf und positive Auswirkungen auf die Beziehung sind nur einige der bekannten Effekte.
Von der Hautzelle zum Gehirn
Mit 1.8qm Fläche ist die Haut unser grösstes Sinnesorgan. Sie begrenzt den Körper nach aussen und erfüllt diverse Aufgaben. Die Haut schützt uns vor äusseren Einflüssen und ist an der Temperaturregulierung und Vitamin-D Synthese beteiligt. Sie speichert Wasser, Fett und Salze und beteiligt sich am Stoffwechsel, indem sie Stoffe aufnehmen oder abgeben kann.
In der Haut haben wir ausserdem Berührungsrezeptoren, quasi die Anfänge von Nerven, die Reize zum Gehirn weiterleiten. Dies sind zum Beispiel Wärme, Kälte, Vibration, Druck oder Schmerz.
Wir haben spezielle Kuschelnerven
Vor einigen Jahren haben Forschende der Universität Göteborg in einer Studie spezielle Nervenfasern entdeckt, die auf Kuscheln, genauer gesagt auf langsame, streichende Bewegungen, reagieren. Die Signale werden dabei in ein Hirnareal gesendet, das für die Verarbeitung positiver Gefühle zuständig ist. Somit bestätigt die Studie tatsächich, dass wir Menschen Kuschelnerven haben.
Hier gehts zum Bericht (Englisch):
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Oxytocin, das Kuschelhormon
Der menschliche Körper ist ein Biolabor. In den Kerngebieten des Hypothalamus bildet das Gehirn Oxytocin, das in der Hirnanhangsdrüse gespeichert wird. Findet nun ein angenehmer Hautkontakt statt, wird das Hormon in den Blutkreislauf abgegeben und verteilt sich im Körper.
Nebst Funktionen in Bezug auf Geburt, Stillen und Mutter- Kind-Bindung führt Oxytocin zu diversen Effekten im Körper. Dazu zählen:
- Senkt den Blutdruck
- Senkt den Cortisolspiegel (Cortisol ist allgmein als Stresshormon bekannt)
- Hat allgemein eine beruhigende Wirkung.
- Lindert Schmerzen.
- Fördert die Wundheilung.
- Stärkt das Immunsystem.
Wie komme ich denn jetzt zu mehr Berührung im Leben?
Kuscheln in der Beziehung
Die wohl einfachste Variante ist Körperkontakt in der Beziehung. Dort wo er in Form von Sexualität sowieso schon stattfindet, kann Kuscheln mit wenig Aufwand und Mut in der Beziehung etabliert werden. Das Nähebedürfnis von Menschen ist allerdings sehr verschieden, so dass der eine möglicherweise ein höheres Kuschelbedürfnis hat als der andere.
Kuscheln unter Familie und Freunden
Wie wäre es mit einem Kinoabend zu Hause auf dem Sofa? Mit Freunden Popcorn futtern und sich dabei ein wenig aneindander kuscheln. Hier ist es wichtig, dass das Bedürfnis nach Körperkontakt klar kommuniziert wird und auch, dass dieses Bedürfnis keine sexuelle Komponente hat. Auch wenn es dir seltsam vorkommen mag, bei guten Kumpels oder Freundinnen nach einer Umarmung zu fragen: vielleicht haben sie dasselbe Bedürfnis und trauten sich bisher, genau wie du, einfach nicht danach zu fragen.
Massage
Massagen werden im grossen Stil und diversen Richtungen angeboten, so dass für die meisten Menschen etwas passendes dabei ist. Fühle dich frei, zu sagen, wenn sich etwas nicht gut anfühlt, mit diesen Infos kann besser auf deine Bedürfnisse eingegangen werden.
Kuscheln als Therapieangebot
Es gibt Menschen, die professionell Kuscheln als Therapie anbieten. Dort kannst du Einzelsitzungen buchen, in denen du mit einem dafür ausgebildeten Menschen kuschelst.
Die Kuschelparty
Auf einer Kuschelparty treffen sich Menschen in Gruppen zum gemeinsamen Kuscheln. Der Anlass wird angeleitet und hat klare Regeln. Meist beinhaltet ein solcher Abend einige Übungen zu Körperwahrnehmung, Kontakt und die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren. In einem zweiten Teil gehts dann zum gemeinsamen Kuscheln. Ein solcher Abend kann eine super Erfahrung sein, aber auch fordernd, da du die anderen Teilnehmer*innen üblicherweise nicht kennst. Die Kursleitung kennt diese Herausforderungen und kann bis zu einem gewissen Grad auch auf individuelle Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen.
Die Variante für Mutige: Umarme einen Fremden
Frage in der Stadt oder wo auch immer du gerade bist einen dir fremden Menschen, ob er dich umarmen mag. Hier muss dir allerdings klar sein, dass du auch einen Korb kassieren kannst.
Die Variante für sehr Mutige: Free hugs
Schnapp dir ein «Free hugs» T-Shirt und stell dich in die nächste Fussgängerzone. Sei gespannt, wer zu dir kommt, um sich eine Umarmung geben zu lassen.
Fazit
Für mich ist Kuscheln und Körperkontakt ein wichtiger Teil des Lebens. Die positiven Effekte sind inzwischen haufenweise wissenschaftlich belegt. Für manche Menschen ist es allerdings nach wie vor schwierig, das Bedürfnis nach Körperkontakt zu erfüllen. Einsamkeit grassiert in unseren so weit entwickelten Ländern. Menschen leben alleine in ihrer Stadtwohnung und haben einen kleinen Freundeskreis aus Menschen, die höflich Abstand zueinander halten, wer auch immer uns das beigebracht hat. Glücklicherweise wurde das Bedürfnis nach Nähe inzwischen erkannt und es gibt diverse Angebote und Ideen, mit denen du mehr davon in dein Leben integrieren kannst.
Ich behaupte dabei nicht, dass es immer einfach ist, manchmal benötigst du ein wenig Mut, etwas Neues auszuprobieren. Doch wenn du am Ende entspannter, glücklicher und weniger gestresst aus dieser Erfahrung gehst, dann hat es sich meiner Meinung nach gelohnt.
In diesem Sinne: Fühl dich umarmt!
Andrea
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